26.04.12

Richter kannten Vorwürfe aus Kinderheimen Eine ehemalige Mitarbeiterin des Jugend­gerichts glaubt, dass Vorwürfe gegen Erzieher seit Jahrzehnten akten­kundig sind.

Richter kannten Vorwürfe aus Kinderheimen

Eine ehemalige Mitarbeiterin des Jugend­gerichts glaubt, dass Vorwürfe gegen Erzieher seit Jahrzehnten akten­kundig sind.

Letztes Update am 21.04.2012


 


Schloss für Kinder: 
Im ehemaligen Heim am Wilhelminenberg ist mittlerweile ein Hotel untergebracht.
Eine Welle der Empörung löste am 16. Oktober 2011 das KURIER-Interview mit zwei ehemaligen Zöglingen des Kinderheimes am Wiener Wilhelminenberg aus. Jetzt, ein halbes Jahr später, ist es Zeit für eine erste Bilanz. Und wieder kommen neue Vorwürfe ans Tageslicht. „Rotziger Bua, verrecken sollst auf an Strohsack in Stein.“ Dieses Zitat soll von einem Richter des Wiener Jugendgerichtshofs (JGH) stammen. Maria D., 63, war in den 1960er- und 70er-Jahren am JGH als Schriftführerin tätig. Und sie erinnert sich an menschenverachtenden Umgang mit jungen Straftätern.

Nicht geglaubt

„Ich sehe den Gerichtshof noch vor mir: All den Kindern wurde nicht geglaubt“, sagt D. Die Jugendlichen, die vor Gericht standen, seien „bei Gott keine Waserln“ gewesen. Viele waren Heimkinder. „Schon damals haben die Kinder von brutalen Erzieherinnen und Erziehern erzählt.“ Die Vorwürfe gegen die Heime seien von den Richtern durchwegs als Lügen abgetan worden. „Vor allem das Heim Hohe Warte hatte einen Ruf, der ein Skandal war“, sagt D. Es stimme also nicht, erklärt D., dass niemand über Vorfälle in Heimen Bescheid gewusst habe.
Noch heute könnten die Aussagen der jungen Leute leicht nachvollzogen und aufgearbeitet werden. „Das steht ja alles in den Gerichtsprotokollen. Ich habe es ja selbst stenografiert.“ Vorwürfe, die Vergewaltigung betreffen, seien ihr keine bekannt. „Das wundert mich nicht. Welcher Pubertierende soll vor einem 19-jährigen Mädel, wie ich eines war, erklären, dass er missbraucht worden ist?“
Auch dem Präsidenten der Opferschutz-Organisation Weisser Ring, Udo Jesionek, ab 1982 selbst Vorsitzender des JGH, waren harte Jugendrichter bekannt. „Da gab es einige, deren Ruf war regelrecht legendär.“ Heute würde man sensibler mit Jugendlichen umgehen. Gelandet sind die jungen Straftäter wieder in Erziehungsanstalten. Die Mädchen in Wiener Neudorf, die Burschen in Kaiserebersdorf. „Das war schlimmer als für Erwachsene in Stein. Kinder wurden im Keller eingesperrt und mit Essensentzug bestraft“, behauptet D. Jugendliche hätten bis Mitte der 1970er-Jahre für gleiche Delikte wesentlich längeren Freiheitsentzug als Erwachsene gehabt. Denn zusätzlich zur Strafe wurden sie in Kaiserebersdorf anschließend zur „Erziehung“ behalten. „Kaiserebersdorf war ein Albtraum“, sagt auch Jesionek. Noch gebe es aber für dessen Zöglinge keine Entschädigungen. Das zuständige Justizministerium legte sich bisher nicht auf die Zahlungsmodalitäten fest.

Weisser Ring: Seit Oktober 682 Opfer

Zwischenbilanz Seit 2010 haben sich 1025 Menschen bei der Opferschutzorganisation Weisser Ring gemeldet. 682 davon meldeten sich nach der Berichterstattung über den Heimskandal im Kinderheim am Wiener Wilhelminenberg. 592 Fälle wurden bereits in Sitzungen des Weissen Rings behandelt. 426 Opfer wurden entschädigt, 311 haben eine Psychotherapie in Anspruch genommen. In 44 Prozent der Fälle stellte der Weisse Ring „sexualisierte Gewalt“ fest. 59 Prozent der Opfer sind männlich , 41 demnach weiblich. 77 Meldungen betreffen das Kinderheim in Eggenburg, 71 die Hohe Warte, 66 fallen auf das Heim am Wilhelminenberg 59 auf das in Hütteldorf. .

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