Gemäß § 1587 h Nr. 1 BGB besteht ein Ausgleichsanspruch nicht, soweit der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten kann und die Gewährung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten würde. Bei der Prüfung der Bedarfsdeckung nach § 1587 h Nr. 1 BGB muss das Gericht sein im Unterhaltsrechtsstreit gewonnenes Erkenntnis auch dann zugrundelegen, wenn dieses noch nicht rechtskräftig ist.
Zwischen der unbilligen Härte im Sinne des § 1587 h Nr. 1 BGB und der groben Unbilligkeit nach § 1587 c Nr. 1 BGB besteht kein gradueller Unterschied3. Nach jener Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung, grob unbillig wäre; hierbei dürfen Umstände nicht allein deshalb berücksichtigt werden, weil sie zum Scheitern der Ehe geführt haben.
Eine unbillige Härte liegt vor, wenn eine Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde. Dabei verbietet sich eine schematische Betrachtungsweise. Die grobe Unbilligkeit muss sich vielmehr wegen des Ausnahmecharakters von § 1587 h Nr. 1 BGB im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben. Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung, die im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur darauf hin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist4.
Im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit beruft
sich der (Ex-)Ehemann im Rahmen der Billigkeitserwägungen mit Erfolg
auf den Umstand, dass der 1984 geborene Sohn nicht von ihm abstammt.
Dem steht nicht die Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB
entgegen. Zwar hält der Bundesgerichtshof im Ausgangspunkt weiterhin
daran fest, dass es auch in Verfahren, an denen das Kind nicht
unmittelbar beteiligt ist, grundsätzlich nicht zulässig ist, dessen
nichteheliche Abstammung inzident geltend zu machen5. Die feststehende rechtliche Vaterschaft stellt aber keinen generellen Hinderungsgrund für die Aufklärung
der biologischen Abstammung dar. Vielmehr hat der (rechtliche) Vater
nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein von Art. 2
Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm6.
Aufgrund dessen hat der Gesetzgeber das sog.
Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598 a BGB eingeführt, das vom
rechtlichen Status gänzlich unabhängig ist7.
Daran zeigt sich, dass das Gesetz dem Familienfrieden und einer bewusst
nicht aufgeklärten biologischen Abstammung jedenfalls dann nicht mehr
den Vorrang einräumt, wenn der rechtliche Vater als einer der
Klärungsberechtigten eine Aufklärung der leiblichen Abstammung anstrebt
und er gegen Mutter und Kind einen Anspruch
auf Mitwirkung an der Untersuchung hat oder letztere – soweit zur
Klärung des Vaterschaftsausschlusses erforderlich – zur Mitwirkung
bereit sind8.
Sind Erkenntnisse über die Vaterschaft – wie im hier entschiedenen Fall –
bereits in zulässiger Weise durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens in einem parallel geführten
Unterhaltsrechtsstreit gewonnen, steht die Rechtsausübungssperre des §
1599 Abs. 1 BGB einer Verwertung
des Gutachtens im Versorgungsausgleichsverfahren nicht entgegen. Rügen,
die sich auf das Verfahren zur Verwertung der in dem anderen
Rechtsstreit gewonnenen Beweisergebnisse bezögen, sind nicht erhoben.Gegen die Billigkeitserwägung, den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich für denjenigen Teil der Ehezeit auszuschließen, in dem die (Ex-)Ehefrau ihrem Ehemann die mögliche Abstammung des Kindes von einem anderen Mann verschwiegen hat, ist im Ansatz aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Denn das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes stellt ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten dar9. Dabei ist in die Erwägungen einzubeziehen, dass die Ehefrau an den in diesem Zeitraum erworbenen gesetzlichen Rentenanwartschaften bereits durch den durchgeführten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich teilhat. Dass die Ehefrau im Zuge des Scheidungsverfahrens auf die Durchführung des erweiterten Splittings oder einer Beitragszahlung gemäß § 3 b VAHRG verzichtet hatte, muss schon deshalb nicht zu ihren Gunsten berücksichtigt werden, weil ihr unter Zugrundelegung des wahren Sachverhalts auch seinerzeit schon ein Anspruch nach § 3 b VAHRG für die vom Versorgungsausgleich auszuschließende Ehezeit nicht zugestanden hätte.
Allerdings hat das Oberlandesgericht denjenigen Anteil, der der Ehefrau auf der Grundlage der getroffenen Erwägungen zuzusprechen wäre, unzutreffend berechnet, indem es einen Quotienten aus dem Zeitanteil der Ehe vor der Geburt des Sohnes zur Gesamtehezeit gebildet hat. Vielmehr muss der Kürzungsbetrag dergestalt ermittelt werden, dass die vom Ehemann in der Gesamtehezeit erworbene Anwartschaft um diejenige gekürzt wird, die er in der auszuschließenden Zeit erworben hat, um anschließend den Wertunterschied aus der so bereinigten Versorgungsanwartschaft auszugleichen10. Es sind also die auf die auszuschließende Zeit entfallenden Anwartschaften auf das gesetzliche Ehezeitende bezogen zu ermitteln und diese von den auf die gesamte Ehezeit entfallenden Anwartschaften abzuziehen11.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21. März 2012 – XII ZB 147/10
- im Anschluss an BGH, Beschluss vom 25.06.2008 – XII ZB 163/06 – FamRZ 2008, 1836↩
- im Anschluss an BGH, Urteil vom 15.02.2012 – XII ZR 137/09↩
- BGH, Beschluss vom 05.11.2008 – XII ZB 217/04, FamRZ 2009, 205↩
- BGH, Beschluss vom 25.06.2008 – XII ZB 163/06, FamRZ 2008, 1836 Rn. 11 mwN↩
- BGH, Beschluss vom 25.06.2008 – XII ZB 163/06, FamRZ 2008, 1836 Rn. 21↩
- BVerfG FamRZ 2007, 441↩
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.06.2008 – XII ZB 163/06, FamRZ 2008, 1836 mwN↩
- BGH, Urteil vom 15.02.2012 – XII ZR 137/09↩
- BGH, Urteil vom 15.02.2012 – XII ZR 137/09; OLG Hamm NJW-RR 2008, 1031↩
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 25.06.2008 – XII ZB 163/06, FamRZ 2008, 1836; vom 29.03.2006 – XII ZB 2/02, FamRZ 2006, 769, 771 und vom 26.11.2003 – XII ZB 75/02, FamRZ 2004, 256, 257 mwN.↩
- Wick Der Versorgungsausgleich 2. Aufl. Rn. 255a↩
Rechtslupe
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