17.03.12

Baby in Pflegefamilie, weil Oma Strafzettel nicht zahlte 2012

WELS. Kurz vor Weihnachten hat das Jugendamt im Bezirk Wels-Land einer damals 18-jährigen Mutter ihren einjährigen Sohn weggenommen. Die fragwürdige Begründung: der Großmutter hätte eine Ersatzfreiheitsstrafe gedroht wegen nichtbezahlter Strafzettel.

Die junge Frau Frau brachte vor einem Jahr ihren Sohn Jonas zur Welt. Die Jugendliche lebt im Haushalt der Mutter, wo sie sich mit der Unterstützung der 51-Jährigen um das Kind kümmerte.
Die heute 19-Jährige, die mit dem Vater (19) des Einjährigen in einer Beziehung ist, steht nicht unter Sachwalterschaft und hatte bis kurz vor Weihnachten auch das Sorgerecht. Wegen des jungen Alters der Mutter erhielt die Familie aber regelmäßigen Besuch von einem Mitarbeiter der „Therapeutisch Ambulanten Familienbetreuung“ (TAF). Am 15. Dezember wurden Mutter und Tochter zu einem Gespräch in das Jugendamt gebeten. „Meine Tochter war erkrankt, weswegen ich alleine hinging“, sagt die Großmutter.
Im Jugendamt wurde der 51-Jährigen eröffnet, Jonas werde der Familie weggenommen und komme zu einer Pflegefamilie. Im Antrag des Jugendamts auf „Fremdunterbringung wegen Gefahr im Verzug“ beim zuständigen Bezirksgericht Lambach heißt es, die Kindesmutter sei mit der Erziehung stark überfordert, weswegen die Großmutter bislang eine wichtige Stütze sei.

Doch die Großmutter habe „eine Anhäufung an ausständigen nichtbezahlten Verkehrsstrafen“. Ihr drohe daher eine Ersatzfreiheitsstrafe von „ca. 20 Tagen“, heißt es im Schreiben des Jugendamtes an das Bezirksgericht, das den OÖNachrichten vorliegt, „wohlwissend, dass sie Betreuungspflichten für ihr einjähriges Enkelkind übernommen hat.“

Nun muss ein Familienrichter des Bezirksgerichtes entscheiden, ob der einjährige Jonas weiter bei der Pflegefamilie bleibt, oder doch zu Mutter und Großmutter nach Hause zurück darf. Das Gericht hat der jungen Frau Verfahrenshilfe bewilligt und den Jugendpsychiater Werner Gerstl mit einem Gutachten beauftragt. Dieses dürfte in Kürze vorliegen. „Ich frage mich, wie das Jugendamt an die Informationen über die Verkehrsstrafen der Großmutter gekommen ist“, sagt Rechtsanwalt Roland Gabl, der die Vertretung der Familie übernommen hat.

Die 51-jährige Großmutter hat ihre ausständigen Verkehrsstrafen in der Höhe von 1200 Euro umgehend eingezahlt. Vergeblich, ihr Enkelsohn Jonas befindet sich weiterhin bei einer Pflegefamilie; bereits bei der zweiten innerhalb von rund sieben Wochen.

„Wir halten uns wegen der Wahrung der Amtsverschwiegenheit zu Einzelfällen völlig bedeckt“, sagt Bezirkshauptmann Josef Gruber auf OÖN-Anfrage. Das Jugendamt habe sich die Entscheidung aber nicht leicht gemacht.





Schicksal: Als Kind missbraucht
„Die Familie ist der Jugendwohlfahrt seit Jahren bekannt“, schreibt das Jugendamt an das Bezirksgericht im Fall der damals 18-jährigen Mutter, der der Sohn weggenommen wurde. Denn das Mädchen und ihre ein Jahr jüngere Schwester wurden als Kinder vom Stiefvater sexuell missbraucht, was seelische Traumata zur Folge hatte. Der Mann erhielt eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren. „Als meine Tochter ihren Sohn zur Welt brachte, rieten Vertreter des Jugendamtes bereits, das Kind zur Adoption freizugeben. Doch das kam für uns nicht in Frage“, sagt die Mutter.

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